Interview
Französische und deutsche Wahlen 'entscheidend' für Putin
Die Schwächung der EU durch Einflussnahme auf die französischen und deutschen Wahlen wird in diesem Jahr eine herausgehobene Stellung in der russischen Außenpolitik einnehmen, warnt der russische Oppositionsführer und ehemalige Ministerpräsident, Michail Kassjanow.
"Das Hauptziel von Herrn Putin ist es, Europa zu teilen und zu schwächen," erklärte er in einem von Moskau aus geführten Interview mit EUobserver, dass den russischen Präsidenten Wladimir Putin thematisiert.
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"Er will die EU in einem Maße schwächen, dass keine Angelegenheiten ohne seine direkte Einbindung entschieden werden können ... er will bei den wichtigen Themen in alle Verhandlungen direkt einbezogen werden," so Kassjanow.
"Die europäische und transatlantische Einheit macht Putin nervös."
"Er versucht, die Bestandteile der gemeinsamen europäischen Außen- und Sicherheitspolitik zu unterminieren, die sich in Reaktion auf das Widererstarken Russlands erstmalig in der europäischen Geschichte begonnen haben auszubilden."
Kassjanow geht davon aus, dass die bevorstehenden Wahlen in Frankreich und Deutschland "entscheidende Eckpunkte" in Putins Plänen darstellen.
Die Wahlen finden in einer Zeit statt in der sowohl der Ausgang des Brexit-Referendums als auch die Wahl des Populisten Donald Trump das Vertrauen in die EU erschüttert haben.
Des Weiteren dauert die Flüchtlingskrise weiter an und einige Kommentatoren stufen die vielfältigen Probleme mit denen die EU zu kämpfen hat sogar als existenzbedohend ein.
"Putins Außenpolitik wird sich daran ausrichten", meint Kassjanow bezüglich russischer Bemühungen, antieuropäische und rechtsextreme Parteien in den Wahlen zu fördern um die Lage weiter zu verschärfen.
So hatte Putin am vergangenen Freitag die französische Anti-EU-Kandidatin Marine Le Pen im Kreml empfangen, ungeachtet der Tatsache, dass diese Ehre normalerweise nur Staats- und Regierungschefs vorbehalten ist.
Das Treffen zwischen Le Pen und Putin fand nur zwei Wochen vor dem ersten Wahlgang der französischen Präsidentschaftswahlen statt. Kassjanow verurteilte dies als eine "unverschämte" Einmischung in die französische Politik.
Hinsichtlich der Beweggründe für Putins Handeln, sagt Kassjanow, dass es sich zum einen um eine Vergeltung für die Treffen westlicher Politiker mit der russischen Opposition handelt und zum anderen Putin testet, in wie weit die europäische Öffentlichkeit und Regierungen Einmischungen zuließen. "Er prüft die Stimmung."
Zunehmend Totalitär
Bezüglich der Entwicklungen in Russland sagt der ehemalige Ministerpräsident vorher, dass die EU nur geringfügigen Wandel bei den Präsidentschaftswahlen 2018 erwarten könne.
Das Interview mit Kassjanow fand vor den Massenprotesten in Russland am Sonntag (26. März) statt. Die Proteste, die sich gegen die Korruption des Regimes richteten, waren die größten der vergangenen fünf Jahre.
Nach Kassjanows Einschätzung, wird es sich bei der Wahl 2018 vielmehr um eine "Nachahmung" von Demokratie handeln und betont, dass die Stimmung in der russischen Gesellschaft "düster" und "nervös" sei. Dazu sagte er wörtlich:
"[Putin] ist dabei das autoritäre System in ein totalitäres umzuwandeln und die Stimmung ist schlecht."
Daneben beschrieb er wie Aktivisten seiner Partei sowohl in Moskau als auch in Provinzstädten durch den Geheimdienst FSB und staatlich geförderte Hooligan-Gruppen schikaniert würden.
"Es wird ihnen zu verstehen gegeben, dass sie ihre Arbeit und ihre Kinder ihre Studienplätze verlieren könnten," so Kassjanow.
Zwar wolle er bei der Wahl 2018 antreten, auch wenn er nicht daran glaubt, dass die Wahl fair sein wird. Es geht ihm vielmehr darum, einen langfristig Wandel zu ermöglichen.
Ferner meint Kassjanow, dass die Russen aus den Großstädten durch den Zugang zu alternativen Informationsquellen anfangen zu begreifen, dass Putins Politik und nicht westliche Verschwörungen für die zunehmende Armut in Russland verantwortlich sind.
"Mein Hauptziel ist es das russische Volk aufzuklären," erklärt Kassjanow und fügt weiter hinzu: "In den Großstädten ist die russische Gesellschaft [hinsichtlich Putin] bereits mittig gespalten und das ist keine Kleinigkeit."
Dieser Artikel wurde ursprünglich auf Englisch veröffentlicht.
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