Interview
Chodorkowski: Putin setzt auf Le Pen
Russland wird laut dem prominenten Kremlkritiker, Michail Chodorkowski versuchen, Marine Le Pen auf die gleiche Art und Weise zu helfen die französischen Präsidentschaftswahl zu gewinnen, wie Donald Trump in den USA.
"Nach den USA hat [russischer Staatschef] Putin entschieden, auf einen weiteren Kandidaten zu setzen", erklärte Chodorkowski am vergangenen Donnerstag (30. März) in London gegenüber dem EUobserver.
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"Putin hat gesehen, wie man mit Wahlen in den USA spielen kann, was er dort erreicht hat, und deshalb hat er beschlossen, eine weitere Wette einzugehen, und an den nächsten Wahlen [in Frankreich] teilzuhaben ", erläuterte Chodorkowski.
Er fügte hinzu, dass ein Sieg Le Pens für den Kreml "eine realistische Chance darstellen würde, die Europäischen Union zu vernichten".
Chodorkowski unterstrich, dass Putin Europa unter militärischen Geschichtspunkten betrachtet.
Er sagte, dass für Putin die Nato der größere Feind im Vergleich zur EU ist, da die EU als "schwach eingeschätzt wird [und deshalb] praktisch ignoriert werden kann".
Aber wenn Frankreich die EU verließe, so wie es Le Pen anstrebt , würde sich der Einfluss der EU weiter verringern.
"Das würde bedeuten, dass die EU keine Atomwaffen mehr hätte ... was dem Kreml erlauben würde, seine Außenpolitik freier zu gestalten", führte er aus.
"Die Frage, ob die Nato aus Europa entfernt und die EU in Europa ausgeschaltet werden kann – daran arbeitet Putin".
Tricksereien bei der Wahl
Chodorkowski, der einst mit Yukos, das größte Erdölunternehmen Russlands besaß, wurde von Putin enteignet und für 10 Jahre inhaftiert, als dieser versuchte in die Politik zu gehen.
Er lebt heute in London und leitet von dort aus die für Reformen und gegen Putin eintretende Polit-Bewegung, Open Russia.
Chodorkowskis Warnung kommt angesichts der Enthüllungen, dass Putin dem Russland freundlich gesonnen Kandidaten, Donald Trump, geholfen hat die US-Wahlen des vergangenen Jahres zu gewinnen.
Zu Russlands Trickkiste soll dabei neben dem Hacken von Emails, das Verbreiten von Fake-News in den Sozialen Medien sowie der Diebstahl von Facebook-Daten US-amerikanischer Wähler gehört haben. Letzteres soll Trump dabei geholfen haben seine Wahlwerbung auf diese Wähler maßzuschneidern.
Umfragen zu Folge wird erwartet, dass Le Pen die erste Runde der Präsidentschaftswahl am 23. April gewinnen wird.
Daneben finden auch in Deutschland im Herbst Wahlen statt. Ein starkes Abschneiden von Rechtsextremen könnte der russlandkritischen Kanzlerin, Angela Merkel, schaden.
Auf die Frage, ob Russland in Europa die gleichen Mittel anwende wie in den USA, sagte Chodorkowski: "Ich bin davon überzeugt, dass dies der Plan für Deutschland ist und wir [Open Russia] wissen, dass Vorbereitungen getroffen werden. Es werden Schritte unternommen um diese Tricks einsetzen zu können".
Er lehnte es jedoch ab, tiefergehend auf seinen Kenntnisstand zu den "Vorbereitungen" einzugehen.
Weitergehend erklärte Chodorkowski, dass Open Russia in Frankreich keine Untersuchung durchgeführt habe, meinte jedoch, dass der Umstand, dass Le Pen Putin in Moskau getroffen hat darauf schliessen lasse, dass Putin "seiner Meinung nach gute Möglichkeit in Frankreich hat".
Der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses des US-Senats, Richard Burr, der momentan die Affäre um die US-Wahlen untersucht, ließ am Freitag (31. März) ähnliches verlautbaren. Er erklärte vor Journalisten in Washington:
"Soweit wir das beurteilen können, handelte es sich 2016 in den Vereinigten Staaten um eine sehr verdeckte Aktion, [wohingegen] es sich in Frankreich und Deutschland sowohl um eine sehr offenkundige als auch verdeckt Aktion handelt". Ferner fügte er hinzu:
"Die Russen nehmen aktiv Einfluss auf die französischen Wahlen".
Kein Roter Teppich für Putin
Vor dem Hintergrund, dass Putin 2018 selbst zur Wahl steht, meinte Chodorkowski, dass der Westen versuchen sollte seine Autorität zu untergraben. Er führt weiter aus:
"Umso weniger Respekt der Westen gegenüber der russischen Regierung zeigt, während gleichzeitig der Respekt vor Russland und dem russischen Volk bewahrt wird, umso mehr hilft man uns [Open Russia] bei unserer Arbeit".
Laut Chodorkowskis Einschätzung, würde Putin unterstützt, wenn Deutschland für ihn "den roten Teppich ausrolle", oder Putin im Fernsehen gezeigt würde wie er Trump ins Ohr flüstere, da "solch ein Eindruck seine Macht stärke".
Französische und deutsche Wirtschaftslobbys gehören in Europa zu Putins größten Freunden. Chodorkowski meint jedoch, dass ausländische Investoren sich vor Russland hüten sollten.
Wenn Putin jemandem persönlich sein Wort gibt, dass er dessen Investition schützen wird, dann hält er das auch ein. "Wenn er im Geschäftsleben etwas sagt, dann meint er es auch so, aber nicht in der Politik - das ist ein wichtiger Unterschied", unterstrich Chodorkowski.
Jedoch müsse ein Unternehmen danach immer noch Bestechungsgelder zahlen und würde damit seinen Ruf aufs Spiel setzen. "Du bezahlst weiter Bestechungsgelder. Wenn jemand sagt, dass er keine bezahlt, dann ist das eine Lüge", sagte er.
Ein anderer Weg um sein Geschäft zu schützen, ist laut Chodorkowski sicherzustellen, dass die Schulden bei russischen Banken größer sind als der Wert des Kapitals und Vermögenswerte, die in Russland investiert sind. Wörtlich sagte er:
"Du bist abgesichert, wenn du kein Geld in Russland hast, sondern nur Schulden. Das ist die Realität".
Putins Macht
Chodorkowski meinte, dass die in Russland stattgefunden Anti-Korruption Proteste im vergangenen Monat zeigten, dass "die meisten Russen keine Schwierigkeiten in Europa wollten" und dass die russische Gesellschaft "aus ihrer Apathie erwache".
Er zeigte sich überrascht, wie viele Russen, darunter auch ältere Menschen, sich bei Open Russia registrieren würden um sich als Aktivisten zu engagieren.
Ferner erklärte er, wenn es Putin 2018 nicht gelingt mehr als 40 Millionen der 105 Millionen russischen Stimmen zu gewinnen, dann schmälert dies seine Macht.
"Sein Umfeld würde anfangen seine Unterstützung zu überdenken", so Chodorkowski.
"Ich spreche nicht von einer Palastrevolte ... aber es erschwert, die Leute zu managen, die ihm zuarbeiten und allein das ist schon wichtig", meinte er.
"Wenn die Polizei nicht rigide gegen die Demonstranten vorgeht - das ist signifikant."
Dieser Artikel wurde ursprünglich auf Englisch veröffentlicht.