Deutschland will EU-Gesetze gegen Hetze und Fake-News
By Andrew Rettman and Aleksandra Eriksson
Der Forderung Deutschlands auch auf EU-Ebene gesetzlich gegen Hasskommentare und Fake-News zu erlassen, findet bei der EU-Kommission nur bedingt Unterstützung.
Der deutsche Justizminister, Heiko Maas, erklärte letzte Woche (5 April), dass "europäische Lösungen" erforderlich seien, um Inhalte, die auf den Plattformen wie Facebook oder Twitter verbreitetet werden, zu regulieren.
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Maas erklärte sich gegenüber der Presse nachdem die deutsche Bundesregierung am selben Tag einen Gesetzentwurf verabschiedet hatte. Dieser sieht in Deutschland Geldstrafen bis zu 50 Millionen Euro für soziale Netzwerke vor, im Falle, dass diese nicht "klar beleidigende" Inhalte löschen.
"Die verbale Radikalisierung ist oft der erste Schritt zu physischer Gewalt", erklärte Maas gegenüber deutschen Medien.
"Es muss genauso wenig Toleranz für kriminelle Hetze in sozialen Netzwerken wie auf der Straße geben", erklärte er und fügte hinzu:
"Jeder der kriminelle Inhalte im Internet verbreitet, muss konsequent verfolgt und zur Verantwortung gezogen werden ... im Endeffekt brauchen wir europäische Lösungen für Unternehmen, die europaweit agieren".
Maas zitierte eine Studie des deutschen Justizministeriums, die besagt, dass YouTube im Januar und Februar 90 Prozent der anstößigen Inhalte entfernte. Demgegenüber löschte Facebook nur 39 Prozent und Twitter 1 Prozent.
"Wenn es in der Zukunft nicht besser wird, werden wir diese Unternehmen mit hohen Geldstrafen belegen", sagte er.
Der Minister unterstrich, dass in Deutschland die Redefreiheit gesetzlich "sogar abstoßende und hässliche Äußerungen und sogar Lügen" schütze. Er betonte jedoch, dass das Gesetz eine rote Linie bei "Volksverhetzung und bösartigen Fake-News" ziehe.
Der Gesetzesentwurf zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken wird wahrscheinlich noch vor der Sommerpause und somit rechtzeitig vor den deutschen Wahlen im Herbst vom deutschen Bundestag abgesegnet werden.
Der Entwurf ist eine Reaktion auf die Steigerung von rechtsextremer Hetze in Deutschland. Daneben ist er eine Antwort auf die Sorge, dass Russland versuchen wird, die französischen und deutschen Wahlen mit Fake-News so zu beeinflussen, wie es bei US-Wahlen im vergangenen Jahr geschehen ist.
Der deutsche Gesetzesvorschlag verpflichtet soziale Netzwerke innerhalb von 24 Stunden nachdem von Nutzern Inhalte gemeldet wurden, diese zu löschen. Dies betreffe üble Nachrede, Verleumdungen, Beleidigungen, Anstiftung zu einer Straftat, Volksverhetzung oder Kinderpornographie.
Der Entwurf sieht daneben vor, dass die sozialen Netzwerke vierteljährliche Berichte an die Behörden übermitteln sollen, die die Identitäten bösartiger Kommentatoren offenlegen.
Bezüglich der Geldstrafen mahnt das Gesetz einen "vorsichtigen Ansatz" an. So sollen Geldstrafen nur für systematische Verstöße und nicht für "spezifische Einzelfälle" verhängt werden.
Deutsche Debatte
Deutschland hat bereits Gesetze, die die Leugnung des Holocaust unter Strafe stellen. Jedoch ist Zensur, aufgrund der Erinnerungen an die Unterdrückungen während der kommunistischen Ära, in der deutschen Gesellschaft ein heikles Thema.
Der Gesetzentwurf wurde von der jüdischen Gemeinde in Deutschland begrüßt.
"Wenn Hass geschürt wird und die rechtlichen Normen in unserer Demokratie drohen, ihre Relevanz zu verlieren, dann müssen wir eingreifen", sagte der Chef des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster.
Jedoch betonte die deutsche Bundestagsabgeordnete der Grünen, Renate Künast, dass die aktuelle Version des Gesetzes unerwünschte Konsequenzen nach sich ziehen könnte.
Sie erklärte, dass Geldstrafen "eine Einladung dazu sein, nicht nur echte Beleidigungen, sondern aus Vorsicht alles zu löschen ... die Version, die [Maas] jetzt präsentiert, wird die Meinungsfreiheit einschränken, und dazu führen, dass einfach gelöscht, gelöscht, gelöscht wird".
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) stimmte dem zu.
Der DJV betonte, dass "die journalistische Verantwortlichkeit für Inhalten nicht an Plattformbetreiber weitergereicht werden kann", da die Plattformen möglicherweise Inhalte aufgrund von kommerziellen und nicht redaktionellen Gründen löschen könnten.
Kommission reagiert zurückhaltend
In seiner Rede am Mittwoch vor dem Europäischen Parlament in Straßburg, erklärte der europäische Kommissar für den digitalen Binnenmarkt, Andrus Ansip, dass Fake-News behutsam angegangen werden sollten.
"Wir müssen an den gesunden Menschenverstand der Leute glauben", sagte Ansip vor den Abgeordneten.
"Fake-News sind schlimm, aber ein Wahrheitsministerium ist noch schlimmer. Man kann alle Menschen kurzzeitig täuschen, und man kann einige Leute immer täuschen, aber man kann nicht immer alle Menschen für immer täuschen", sagte der Kommissar. Der Liberale Ansip , war als Este in der Sowjetunion aufgewachsen.
Er betonte, dass Extremismus, Fake-News und Hetze unterschiedliche politische Reaktionen erforderten.
Hetze - definiert als Aufruf zu Gewalt oder Hass aufgrund von Rasse, ethnischer Herkunft, Hautfarbe oder Religion - sei bereits illegal, so der Kommissar.
Weiter sagte er, dass die Kommission den Verhaltenskodex überprüfen werde, den sie letztes Jahr mit Facebook, Twitter, Youtube und Microsoft vereinbart hatte. Dieser verpflichtet die Betreiber der sozialen Netzwerke gegen illegale Inhalte vorzugehen.
Ansip unterstrich jedoch, dass die Meinungsfreiheit unter allen Umständen geschützt werden müsse.
"Das Konzept der Redefreiheit schützt nicht nur das womit wir übereinstimmen, sondern auch das, was wir als kritisch oder beunruhigend erachten. Wir müssen der Verbreitung von Fake-News durch eine erhöhte Medienkompetenz und kritisches Denken begegnen", erläuterte der Liberale.
Facebook unglücklich
Facebook hat sich in Deutschland bereits mit dem Journalistenkollektiv Correctiv zusammengetan, um bösartige Inhalte auszusortieren.
In einer Erklärung betonte Facebook, dass das neue Gesetz "dazu führen würde, dass private Unternehmen - anstatt Gerichte - darüber entscheiden würden, was in Deutschland illegal ist".
Die CEO von YouTube, Susan Wojcicki, wiederholte die Kritik von Künast. Wojcicki sagte, dass die Furcht vor Geldstrafen bei den Firmen dazu führen könnte, dass "Inhalte entfernt werden, die nicht entfernt werden sollten".
Dieser Artikel wurde ursprünglich auf Englisch veröffentlicht.
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