Wie Online-Aktivisten versuchten Macron zu schaden
Mit Gerüchten, Fake News und Leaks, die im Internet verbreitet wurden, wurde versucht den moderaten Kandidaten Emmanuel Macron in den letzten Tagen vor der französischen Wahl zu diskreditieren.
Es waren nur die letzten von vielen Versuchen das Ergebnis der Wahl, hauptsächlich zugunsten von Marine Le Pen, einer rechtsextremen anti-EU-Politikerin, deren Partei teilweise von Russland finanziert wurde, zu beeinflussen.
Join EUobserver today
Become an expert on Europe
Get instant access to all articles — and 20 years of archives. 14-day free trial.
Choose your plan
... or subscribe as a group
Already a member?
Die anti-Macron Inhalte wurden meistens von der sogenannten "Patriosphäre" verbreitet - einer Gruppe, die sich aus "Identitaires" (Nativisten), Militanten des Front National und rechtsgerichteten Anhängern der Mitterechtspartei, die Republikaner, zusammensetzte.
In den letzten Tagen vor der Wahl wurden frische Gerüchte auf der anderen Seite des Atlantiks von Personen aus der rechtsextremen Szene in der USA verbreitet, die dann später auch auf französischen rechtsextremen Profilen weiterverbreitet wurden.
Das bedeutendste Gerücht behauptete, dass Macron ein schwarzes Konto auf den Bahamas hatte.
Um zu verstehen, wie die Operation abgelaufen ist, muss man sich noch einmal eine Studie anschauen, die ich im April über Gruppen angefertigt habe, die Nachrichten verbreiteten, die von den russischen Staatsmedien Sputnik und Russia Today (RT) produziert wurden.
Ich habe hierfür für zweieinhalb Monate Aufzeichnungen über die Tätigkeiten dieser Konten gesammelt, um identifizieren zu können, welche Inhalte gepostet und wer davon erreicht wurde. Ich habe auch 6.006 Profile gesammelt, die die meisten Artikel geteilt haben und habe analysiert, wie diese Benutzer einander auf Twitter folgten.
Als ich den Datensatz zu den französischsprachigen Konten, die das Bahamas-Gerücht teilten, mit der Datenbank zu den Konten, die den russischen Medien folgen, verglich, erhielt ich mit über 60 Prozent ein sehr hohes Maß an Übereinstimmung. Das bedeutet, dass die meisten Konten, die anti-Macron Gerüchte teilten, dieselben waren, die in der Regel Nachrichten der russischen Staatsmedien teilen.
Ich fand zwei Tage später das gleiche Muster, als Informationen, die von Macrons Wahlkampfteam erbeutet worden waren, von US-Aktivisten geleakt und von pro-russischen, rechtsextremen französischsprachigen Gruppen verbreitet wurden.
Diesmal wurden die Leaks auch durch Konten, die für "Reaktionsoperationen" vom Front National verwendet wurden, verbreitet.
Zu einem früheren Zeitpunkt des Wahlkampfes wurden verschiedene Methoden gegen verschiedene Kandidaten eingesetzt; die meistens die "Patriosphäre" mit einbezogen.
Die erste Methode war der Einsatz von "Response Teams", die die Kandidaten selbst zum Ziel hatten.
Feindselige Hashtags führten regelmäßig die Listen der Trendthemen auf Twitter an. Dazu zählten #FaridFillon – mit Verweis auf den konservativen Kandidaten Francois Fillon - #DemasquonsMacron (Demaskierung Macron) oder #FillonGate.
Diese Methode wurde vor allem von digitalen Aktivisten, die Le Pen unterstützten, verwendet.
Sie verabredeten üblicherweise einen bestimmten Zeitpunkt an dem sie etwa 1.800 Konten aktivierten, um einen Hashtag zu einem Trendthema zu machen. Die Organisation hierfür fand über Discord, einer Chat-Plattform, oder durch private Gruppen auf Twitter statt. Ziel war es, die Sichtbarkeit durch die Trendthemen zu erlangen und die Aufmerksamkeit der Medien zu erregen.
Eine zweite Methode war die Unterwanderung.
Einige Aktivisten des Front National erstellten drei Pro-Macron-Konten mit dem Ziel Anhänger von Macrons politischer Bewegung En Marche! zu sammeln.
Für eine Weile posteten sie Tweets, die für Macron vorteilhaft waren. Aber gegen Ende des Wahlkampfs, nach einer Kontroverse über den Islam und einem Anhänger von Macron, erklärten sie, dass sie ihre Unterstützung für den Kandidaten wiederrufen würden.
Die wahre Natur dieser Konten wurde jedoch durch die "Gefällt mir Angaben" angedeutet, die sie für rechtsextreme Beiträge vergaben.
Eine dritte Methode war das Framing von echten Nachrichten und die Produktion von Fake-News.
Beim Framing verbreitete die "Patriosphäre" sachlich korrekte Nachrichten, hob aber bestimmte Aspekte hervor, die ihrer politischen Agenda dienten und lieferte dazu parteiische Interpretationen der Ereignisse.
In einem Beispiel griffen die Aktivisten die Tatsache auf, dass Frankreich von Twitter verlangt, mehr Inhalte zu entfernen als jedes andere Land der Welt. "Weltrekord bei der Zensur von Facebook und Twitter. Die Bezeichnung sozialistischen Diktatur war noch niemals so angebracht!", schrieb ein Konto.
Dies ließ die wichtige Tatsache aus, dass die entfernten Inhalte in erster Linie radikaler Natur waren und Rassismus, Antisemitismus und die Aufstachelung zur Gewalt umfassten.
Das Reframing von Nachrichten kann auch erreicht werden, indem bewusst einige Elemente ausgelassen werden, um den Sinngehalt zu verändern.
Aktivisten griffen auch ein Video auf, dass zeigt wie Macron sich nach einem Treffen mit Fischhändlern, bei dem er Fisch verarbeitet hatte, seine Hände wäscht.
Sie verbreiteten nur den Teil, der zeigt wie Macron sich seine Hände wäscht. Diesen verknüpften sie dann mit einer alten Geschichte, die von Le Gorafi, einer Satirewebsite, unter der Überschrift "Ich fühle mich schmutzig, wenn ich die Hand eines armen Mannes schüttele" veröffentlicht worden war. Die alte Geschichte war eine Parodie, aber die anti-Macron Aktivisten behaupteten, dass sie wahr sei.
Ein Twitter Konto namens Ridicule TV, das kurze Videos von Debatten oder Wahlveranstaltungen veröffentlicht, wurde ebenfalls erstellt, um die Spitzenkandidaten, vor allem Macron, jedoch nicht Francois Fillon, zu verspotten.
Dieses Konto wurde von Anhängern von Fillon erstellt, wozu auch einige Mitglieder seines Wahlkampfteams gehörten.
In einer aufwendigeren Operation kopierte ein Aktivist oder eine Organisation die Webseite der belgischen Tageszeitung Le Soir - mit demselben Logo und Layout, aber unter der Adresse lesoir.info anstelle von lesoir.be - und veröffentlichte eine angebliche Eilmeldung von der Nachrichtenagentur AFP, die behauptete, dass Macron von Saudi-Arabien finanziert wurde.
Der Link zu der Geschichte wurde von gefälschten Konten mit erfundenen Namen an Medien und zu anderen anti-Macron Konten geschickt, damit diese die Nachricht weiterverbreiten.
Wenige Tage später wurde die Geschichte sogar von Le Pens Nichte, Marion Marechal-Le Pen, die eine Abgeordnete des französischen Parlaments ist, aufgegriffen.
Eine andere Operation nutzte die Blogplattform einer Mainstreampublikation um Fake-News ein besseres Image zu geben.
Ein Artikel, der Macron als den neuen Jerome Cahuzac beschrieb, wurde auf der Bloglattform der investigativen Webseite Mediapart veröffentlicht. Jerome Cahuzac war ein ehemaliger französischer Haushaltsminister, der zurücktrat, nachdem enthüllt wurde, dass er schwarze Konten in der Schweiz und in Singapur hatte.
Über 80 Konten wurden über Nacht erstellt und an einem Samstagmorgen aktiviert, um dem Blogeintrag dabei zu helfen in der Liste der Trendthemen aufzutauchen.
Ich habe schnell die Methode identifiziert und sie in einem Tweet angeprangert. Etwa 45 Minuten später waren alle Tweets entfernt. Der Versuch wurden vereitelt, aber ich konnte nicht mehr weiterverfolgen, wie die Geschichte verbreitet worden wäre.
Ein weiterer Versuch wurde gemacht und diesmal wurde die Blogplattform der Wochenzeitung L'Express benutzt. L'Express entdeckte den Trick, als ein Post der ebenfalls behauptete, dass Macron ein schwarzes Konto hatte, zu einem der meist gelesenen Einträge auf der Webseite wurde und sie sich deshalb dazu entschlossen ihn von der Seite zu nehmen.
Als Reaktion darauf sagte die Patriosphäre, dass dies ein weiterer Anhaltspunkt dafür sei, dass Macron von den Mainstreammedien geschützt würde.
Diese Operationen wurden mit Hilfe von Nebelwänden und einem Trojaner organisiert. Der erste Schritt bestand darin einen Trojaner mit so viel Glaubwürdigkeit wie möglich zu erschaffen. Dies geschah entweder dadurch, dass echte Medien kopiert oder ein Blogeintrag bei echten Medien veröffentlicht wurde.
Der zweite Schritt bestand in der Schaffung von Nebelwänden - Roboter oder gefälschte Konten, die dabei helfen, den Trojaner zu den richtigen Orten zu schicken: Gruppen, die die Geschichte teilen, ohne zu viel nachzufragen, woher die Geschichte kommt.
Das Schema erklärt auch, warum es so schwer ist, sicher festzustellen, woher ein Gerücht kommt. Diejenigen, die es teilen, sind nicht unbedingt diejenigen, die es erschaffen haben.
Nicolas Vanderbiest ist Doktorand an der Universität Löwen und ein Social Media Experte. Er hat einen Blog über die Beeinflussung im Internet.
Dieser Artikel wurde ursprünglich auf Englisch veröffentlicht.